Ratssitzung zum Haushalt der Stadt Winsen

Da Wichtigste in Kürze:

Die Haushaltsmehrheit 2008 ist Schwarz-Rot. Weder die Bürgermeisterin, noch wir haben dem Haushalt zugestimmt.

Während der Sitzung war oft von der „Vereinten Linken“ (also SPD-FreieWinsener-Grüne+LINKE) bzw. „Vereinten Rechten“ (CDU+FDP) die Rede. Die Haushaltsabstimmung hat diese Argumentation ad absurdum geführt. Zugegebenermaßen ist es Oliver Berten häufig gelungen, die oben genannten Parteien zu einen und sich zu deren Sprecher zu erheben. Dieses Phänomen mag besonders der SPD nicht recht sein, doch zieht es sich wie ein roter Faden durch die Beratungen im Ratsplenum.

Das Haushaltssystem wurde von Kameralistik auf Doppik (also doppelte Buchführung in Konten) umgestellt.

Der Haushalt ist nicht ausgeglichen (knapp 6 Millionen Unterdeckung), was nur zum Teil auf mangelnde Haushaltsdisziplin zurückzuführen ist. Der Fairness halber sei gesagt, dass wir im letzten Jahr eine einmalige große Gewerbesteuerzahlung, bekommen hatten, die jetzt zu einem – einmaligen – Wegfall von Schlüsselzuweisungen und einer erhöhten Kreisumlage geführt haben. Beide Haushaltsposten normalisieren sich im Folgejahr 2009 wieder.

Dem Haushalt hätte also zugestimmt werden können, wenn, ja wenn… Vor allen Dingen endlich die Überführung der Stadthalle in die Stadtwerke durchgegangen wäre. ERSTMALS haben CDU und Bürgermeisterin diesem Vorhaben zugestimmt. Gescheitert ist das an Heinrich Riedel, der diesmal sowieso keine sonderlich glückliche Figur gemacht hat. Zünglein an der Waage sein ist ja an sich gar nicht schlecht – aber in diesem Fall hat er sich mehr als Pendel betätigt und für meine Begriffe recht willkürlich mit den oben genannten Blöcken mal so und mal so gestimmt. Ein konsistenter Haushalt ist so nicht zustande gekommen.

Bendenklich ist weiterhin, dass die Stadtverwaltung mit Arbeitsaufträgen aus der Politik derart dichtgeschüttet wird, dass mittelfristig der Bürger darunter leiden könnte.

Wir sind zu Recht stolz darauf, dass Winsen so einen schlanken Verwaltungsapparat hat – aber wenn im Rat keine vernünftigen Entscheidungen getroffen werden können – einigt man sich schnell mal eben, dass „Die Stadtverwaltung (möglichst noch mit Frist übermorgen) ein Konzept zu XY zu erstellen“ hat. Dann sind die Fraktionen bitterböse, wenn der Termin nicht eingehalten werden kann weil (das scheinen manche Ratsherren und Frauen zu vergessen) unsere Beamten hin und wieder auch noch für den Bürger zur Verfügung stehen und die laufende Verwaltungsarbeit aufrecht erhalten müssen.

Mein Fazit – wenn wir die Verwaltung weiter derart (über)fordern, führt das dazu, dass wir den Stellenplan auf absehbare Zeit aufstocken und damit die Grundsätze sparsamer Haushaltsführung entgültig über Bord werfen müssen.

 

 

Ich habe mich angesichts des Tagesordnungspunktes 30 (Antrag Freie Winsener – „Bürgerstreife“) zu einer Grundsatzrede mit Landesbezug hinreißen lassen, die ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten will:

Herr Vorsitzender, Frau Bürgermeisterin, meine Damen und Herren!

Für die Realisierung einer besseren Beleuchtung hat die Stadtverwaltung dankenswerterweise bereits ein umfassendes Konzept vorgelegt, dessen Umsetzung wir auch unterstützen.

Die FDP Fraktion spricht sich aber deutlich und entgültig gegen die Einführung einer Bürgerstreife, oder wie immer man so ein Modell nennen will, aus.

Die freien Winsener versuchen hier in der Tat einen gescheiterten Modellversuch der CDU in der Landesregierung auch in Winsen zu etablieren. Auf Landesebene hat die FDP das Pilotprojekt von Herrn Schünemann glücklicherweise gestoppt.

Grundsätzlich sind wir freien Demokraten ja nicht eben bekannt dafür, dass wir etwas gegen private Initiativen hätten. Wir treten selbstverständlich dafür ein, dass sich der Staat auf seine zentralen Aufgaben beschränkt.

Diese Aufgaben muss er aber auch erfüllen, und er muss sie SELBST erfüllen.

Die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten ist nun DIE ZENTRALE STAATSAUFGABE überhaupt. Hier steht der Staat, hier steht die Stadt, aber vor allem das Land Niedersachsen in der Pflicht.

Im Vorwort zu einem Lehrbuch über das Straftrecht habe ich mal gelesen, dass in dem Moment, wo die Mafia die Rechtspositionen des Einzelnen effektiver schützt als der Staat, dieser seine Legitimation verliert Steuern zu erheben. Ich muss sagen diese Argumentation hat einen gewissen Charme.

In der letzten Legislaturperiode wurde die Polizeiorganisation in Niedersachsen grundlegend reformiert. Dass die Chefetage der Polizeiinspektion (PI) Harburg, der PI-Leiter und der Leiter Einsatz dabei mit ihren Mitarbeiterstäben von Winsen nach Buchholz verlegt werden, ist dabei für uns Winsener selbstverständlich ein Ärgernis – und da will ich auch nicht drüber hinwegtäuschen.

Insgesamt hat diese Landesregierung allerdings auch Erfolge erzielt. Mit der Herauslösung der Polizei aus den Bezirksregierungen wurden sechs regionale Polizeidirektionen gebildet. Sie gewährleisten die komplette polizeiliche Aufgabenwahrnehmung in ihrem Zuständigkeitsbereich und übernehmen bei außergewöhnlichen Einsätzen (z. B. Geiselnahmen, Entführungen, Großschadenslagen) die Gesamteinsatzleitung. Es wurden daneben Verwaltungsstrukturen zugunsten der eigentlichen Polizeiarbeit aufgelöst.

Damit stehen Landesweit 200 Beamte zusätzlich für den Vollzug polizeilicher Aufgaben zur Verfügung.

Meine Damen und Herren DAS ist der richtige Weg und den wollen wir weiter gehen – und wenn unser Koalitionspartner in Hannover meint, er könnte Geld einsparen, indem er seine originäre Verantwortung an die Bürger delegiert, dann erteilen wir ihm eine Absage, genau wie hier den Plänen der Freien Winsener.

Die innere Sicherheit gehört in die Hand von Profis und die müssen personell wie vom Einsatzmaterial her so ausgestattet werden, dass sie ihre Aufgaben auch wahrnehmen können!

Noch ein paar Worte zur konkreten Situation hier in Winsen. Unbestreitbar hat es schlimme Vorfälle gegeben in der Winsener Innenstadt. Die Täter sind polizeilich bekannt und die Polizei tut ihr möglichstes, um der Lage Herr zu werden. Was wir von Seiten der Stadt tun können um die Polizei zu unterstützen, wird selbstverständlich getan.

Es hat aber rein gar nichts mit verantwortungsvollem kommunalpolitischen Handeln zu tun, jetzt Populismus und Panikmache zu veranstalten!

Herr Berten hat in einer Pressemitteilung erklärt, die freien Winsener hätten sich angesichts eines Abendspazierganges in der Winsener Innenstadt bedroht gefühlt. Ein junger Mann hat sich in einem Leserbrief im Winsener Anzeiger ein paar Tage später als einer der „Aggressoren“ geoutet und sinngemäß angeführt, er habe die Bedrohungslage eher andersrum wahrgenommen. Ich kann nur gratulieren: Mit solchen Aktionen und Pressemitteilungen erreichen Sie ganz bestimmt, dass sich die Winsener sicherer fühlen.

Unsere Ablehnung dieses Unsinns heißt nicht, dass wir etwas gegen Zivilcourage hätten. Mit offenen Augen durch die Gegend zu gehen ist sicher richtig. Die Vorstellung aber, dass eine Bürgerstreife bei echter Gewaltkriminalität etwas ausrichten könnte oder würde ist, wenn schon richtige Polizisten in Uniform der Lage im Einzelfall nicht Herr werden, aberwitzig.

Als Praktikant am Hamburger Amtsgericht habe ich hautnah miterlebt was bei solchen Projekten in Wirklichkeit rauskommt. Die Schwarzen Sheriffs in Hamburg haben uns damals fast lahmgelegt mit Ordnungswidrigkeitsverfahren. Bei den „aufgedeckten Straftaten“ handelte es sich fast ausschließlich um „Buschpinkler“ auf St. Pauli, um Radfahrer, die nicht ordnungsgemäß abgestiegen sind und um unangeleinte Hunde in den Parkflächen. Auch aus Stade hört man bereits Stimmen, die dem Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes (FOSD) vorwerfen, hauptsächlich in der Fußgängerzone Omas vom Rad zu holen.

Meine Damen und Herren, wenn das die öffentliche Ordnung ist, die zu Verteidigen hier angestrebt wird, dann gute Nacht, Winsen!

Ich will mir nicht unbedingt anmaßen, dass es an meinem Wortbeitrag lag, aber es haben nur zwei Ratsmitglieder für den Antrag gestimmt. Oliver Berten und noch EINER von den Freien Winsenern. Die CDU hat sich allerdings nicht entblödet zu erklären, sie mache nur nicht mit, weil es schlecht kopiert sei.

ICH BLEIBE DABEI: EGAL MIT WEM – BÜRGERSTREIFE NICHT MIT UNS!

 

Zum Thema Videoüberwachung äußere ich mich nach wie vor nicht en detail- denn es war und ist Auffassung der FDP Fraktion, dass diese Diskussion in die Vertraulichen Teile des Fachausschusses gehört und in den Nicht-Öffentlichen Verwaltungsausschuss. Eine präventive Generalüberwachung lehnen wir selbstverständlich ab. Dennoch kann Videoüberwachung unter Umständen an Kriminalitätsschwerpunkten (und nur da!) Sinn ergeben. Die genauen Standorte und die Konzeption in der Presse breitzutreten, überlassen wir aber lieber weiterhin anderen Fraktionen und beschränken uns darauf zu sagen, dass wir – öffentlich oder in geheimer Sitzung – dafür sorgen, dass die Bürgerrechte im Zweifel gewahrt bleiben. Da gibt es erstaunliche Technische Möglichkeiten mittlerweile…

3 Gedanken zu „Ratssitzung zum Haushalt der Stadt Winsen

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  2. Sehr geehrter Herr Ruschmeyer,

    ich selbst bin Mitglied des FOSD (Bürger im Dienst) in Stade. Ihre Darstellung wir würden nur „Omas“ in der Fußgängerzone vom Fahrrad holen ist völliger Quatsch. Wir sind den Bürgern in vielen Dingen in der Öffentlichkeit behilflich. Wir pflegen die Kultur des „Hinsehens“, wir sprechen sehr oft gerade mit den problematischen Jugendgruppen in Stade, die in der Vergangenheit verantwortlich sind für ein Gefühl der Unsicherheit, beobachten diese und wirken sehr oft, das meine ich, positiv auf diese ein. Es werden von uns zu später Stunde oft Personen begleitet, die Angst haben sich alleine zu bewegen. Junge Frauen wenden sich an uns, die wir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ihr Eindruck wir würden nur die Polizei mit Ordnungswidrigkeitsanzeigen überschütten ist unzutreffend. Dies geschieht in keiner Weise. Wir weisen Bürger und Touristen lediglich auf ihr Fehlverhalten hin. Wir geben Touristen Wegbeschreibungen und Tipps oder bringen diese, wenn es in unserem Revier liegt, gleich sicher zum Hotel. Wir versuchen Streit zu schlichten und Gewalt zu verhindern. Die Polizei wird nur hinzugerufen, wenn wir mit unseren einfachen Mitteln nicht weiter kommen. Keiner von ist weder ein nerviger Spießer oder Türstehertyp. Wir alle sind ruhig und besonnen, begeben uns nicht in Gefahr, sehen aber hin und weichen Opfern nicht von der Seite.
    Ich finde dieses Ehrenamt schön und wertvoll für meine Geburtsstadt. Es sollte in der gesamten Republik Schule machen. Sie haben nicht das Recht diese Einrichtung lächerlich zu machen. Insbesondere dann nicht, wenn Sie sich selbst anscheinend nicht informiert haben.

    MfG. Olaf Stein

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