„Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.“

lässt Goethe seinen Dr. Faust in der Tragödie erster Teil sagen, nachdem die Hexe, die ihn verjüngen soll, einen ziemlich irren Tanz auf- und die Regeln der Mathematik mit ihrem „Hexeneinmaleins“ ad absurdum führt.

Bevor ich diesen Satz noch anderweitig verwende, und mich damit selber in „Teufels Küche bringe“, mache ich lieber Werbung für die sommerlichen Musiktage in Hitzacker, bei deren Eröffnungsveranstaltung ich gestern war. Die Eröffnung der Gesamtveranstaltung, die sich dem Themenfeld „Labor“ widmet, war von den Veranstaltern unter das Motto „Zauberlehrlinge und Hexenküchen“ gestellt worden – und auch wenn vermutlich jeder im Publikum, das zu meinem Bedauern weitestgehend aus Menschen im dritten Lebensabschnitt bestand, seinen Goethe kennt, konnte die Interpretation der Zeilen von Siegfried Kernen begeistern. Der bekannte Schauspieler kann mit seiner Stimme so gut umgehen, dass er problemlos über die augenscheinlichen technischen Probleme der Tonübertragung hinweg täuschen und das Publikum im ganzen Saal verzaubern konnte.

Verzaubern konnten auch die musikalischen Darbietungen von Andrej Bielow (Violine) und Konstantin Lifschitz (Klavier) – die mit themennahen Werken von Ligeti, Skrjabin, Milstein und Szymanowski das Publikum in die Welt der Magie entführten – wobei erst Bielows Darbietung einer Paganiniana von Milstein den magischen Funken herüberbrachte und für Gänsehaut sorgte.

Den Abschluss der Eröffnungsveranstaltung lieferte dann das Winsener! Ensemble L’Art pour l’art – mit der Weltpremiere einer Komposition des ebenfalls in Winsen ansässigen Komponisten Matthias Kaul unter dem Titel „Glowing Sea“. Auch für jemanden, der sich mit zeitgenössischer Musik wenig bis gar nicht auskennt und derartige Kompositionen mehr als „Klangkulissen“ denn als Musik wahrnimmt, wurde deutlich dass zwischen der Arbeit von L’art pour L’art und zeitgenössischen musikalischen Darbietungen, die ich kürzlich in Hamburg verfolgen durfte gewaltige Qualitätsunterschiede liegen. Anders als in Hamburg musste ich diesmal kein Mitleid mit „gequälten Musikinstrumenten“ haben – und die Atmosphäre die das Ensemble heraufbeschwor konnte durchaus überzeugen. Bisher habe ich ja die Förderung der Gruppe im Kulturausschuss und Rat der Stadt für die FDP Fraktion als „zu elitär“ abgelehnt und vertreten, dass die Förderung von derlei spezifisch zielgruppenorientierten Veranstaltungen der „Hohen Kultur“ keine kommunale, sondern eine regionale oder sogar überregionale Aufgabe sei. Die ehrlichen und zum Teil durchaus überzeugenden Versuche der Gruppe, über ein „Begehbares Klanglabor“ vor der Veranstaltungshalle auch „Otto Normal Bürger“ für ihre Arbeit zu interessieren hat bei mir allerdings in gewissem Maße zu einem Umdenken geführt – ich werde das in der Fraktion zu diskutieren haben.

Insgesamt eine sehr gelungene Eröffnung, die für den weiteren Verlauf der Veranstaltung das allerbeste hoffen lässt.

Ich hoffe, dass David McAllister, der die Schirmherrschaft von Christian Wulff übernommen, und entsprechend eine Eröffnungsrede gehalten, die Gelegenheit genutzt hat, vor den heutigen Haushaltsberatungen noch einmal durchzuatmen. Inhaltlich hoffe ich, um noch einmal den Bogen zur Überschrift zu schlagen, dass er – anders als scheinbar die Winsener CDU Fraktion – sich dafür nicht von Goethes Hexeneinmaleins inspirieren lässt:

Die Hexe (mit großer Emphase fängt an, aus dem Buche zu deklamieren).
Du musst verstehn!
Aus eins mach’ zehn,
Und zwei lass gehn,
Und drei mach’ gleich,
So bist du reich.
Verlier die vier!
Aus fünf und sechs,
So sagt die Hex’,
Mach’ sieben und acht,
So ist’s vollbracht:
Und neun ist eins,
Und zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmaleins.

Faust sagt ob der für ihn seltsam klingenden Worte: „Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber…“ und Mephisto antwortet: „Das ist noch lange nicht vorüber.“